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Lerncoaching, Lerntherapie oder doch lieber Nachhilfe? Eine Sortierung.

Lernunterstützung gibt es viel - doch was ist das richtige?
Lernunterstützung gibt es viel - doch was ist das richtige?

   

Selina ist 12 Jahre alt und hat gerade so gar keine Lust auf Schule. Sie hängt in Latein völlig hinterher, zudem hat sie noch immer diese fiesen Rechtschreibprobleme, die ihr Deutsch gerade so richtig verleiden. Dazu kommt der fast tägliche Streit mit ihrer Mutter, die sie ständig abfragen und zum Lernen drängen will. Für Selina bedeuten Schule und Lernen einfach nur Stress und Ärger.

 

Claudia ist die Mutter von Selina und auch gerade ganz schön verzweifelt. Sie sieht ihre Tochter leiden und weiß nicht, wie sie ihr helfen soll. Alles was sie sagt oder tut scheint die Situation nur noch zu verschlimmern. Irgendwann ist ihr klar, dass Selina Unterstützung von außen braucht und beginnt zu recherchieren. Doch statt Klarheit zu gewinnen, ist Claudia nur noch verwirrt. Was ist jetzt das passende für Selina?

 

Lernunterstützung - eine Marktsondierung

 

Der sekundäre Bildungsmarkt ist riesig, es gibt unglaublich viele Möglichkeiten sich oder sein Kind von Experten in Sachen Lernen unterstützen zu lassen. Ich möchte hier den Markt ein bisschen sondieren, um Betroffenen einen Überblick zu geben. Denn für einen Laien - gerade wenn er sich in einer stressigen Situation befindet - ist es sehr unübersichtlich, was wer wie leisten kann - und was nicht.

 

Nachhilfe

Beginnen wir mit der klassischen Nachhilfe, bei der Unterrichtsstoff nachmittags oder am Wochenende meist von Lehrkräften noch einmal vermittelt wird. Idealerweise auf die individuellen Bedürfnisse des Lernenden ausgerichtet in Einzelunterricht.

 

Der Nachteil ist, dass oft eine große Abhängigkeit entsteht, Schule am Nachmittag wird zur Regel, oft über Jahre hinweg. Der Vorteil ist, dass Wissenslücken geschlossen werden und der Anschluss in der Schule wieder gelingt.

 

Mein Tipp: Nachhilfe kann aus meiner Sicht nur punktuell sinnvoll sein. Für ein bestimmtes Thema in einem bestimmten Fach. Das bedeutet: man sollte ganz klar vereinbaren, was erreicht werden soll. Z.B. Bruchrechnen verstehen und umsetzen können. Wenn das erreicht ist, ist Schluss.

 

 

Lerntherapie, Ergotherapie, Logopädie ...

Natürlich ist es ein bisschen gewagt, alle diese therapeutischen Felder unter eine Überschrift zu packen. Doch es soll ja hier keine ewig lange Abhandlung werden, sondern ein erster Überblick. Allen ist gemeinsam, dass sie Therapeuten sind und meist mit einem Störungsbefund, z.B. ADHS, LRS, Dyskalkulie, Wahrnehmungs-, Sprach- oder Handlungsstörungen ... ausgehen, die diagnostiziert und anschließend therapeutisch behandelt werden.

 

Der Nachteil ist, dass hier der Blick v.a. auf spezifische Themen (z.B. LRS) gerichtet wird, eine gewisse Defizit-Grundhaltung vorhanden ist und oft mit standardisierten Vorgehensweisen gearbeitet wird. Der Vorteil ist, dass hier Experten für konkrete "Störungen" viel KnowHow und Wissen einbringen und zugleich oft sehr liebevoll-kreativ mit den Kindern arbeiten.

 

Mein Tipp: für Lernende mit klar definierten Herausforderungen (z.B. durch einen Schulpsychologen getestet) kann es sehr hilfreich sein, weniger nützlich jedoch für generelle, ganzheitliche Anliegen.

 

 

Kinesiologie, Evolutionspädagogik ...

Bei diesen Unterstützungs-Konzepten wird davon ausgegangen, dass über körperliche Bewegungen Probleme gelöst werden bzw. Konzentration und Denkflexibilität verbessert werden können. Dazu gehören z.B. auch Klopftechniken, der Muskeltest oder BrainGym. 

 

Der Nachteil ist aus meiner Sicht, dass hier sehr spezialisiert mit einem schnellen Effekt gearbeitet wird, jedoch oftmals keine nachhaltige Wirkung erzielt wird. Der Vorteil ist eine unmittelbare Entlastung, die für bestimmte Themen (z.B. Prüfungsangst) sehr wichtig und gut geeignet ist.

 

Mein Tipp: die Praktizierenden genau anschauen, in Ruhe kennen lernen und jemanden suchen, der auch das Thema Lernen gut integrieren kann, damit nicht nur Stress reduziert wird, sondern auch Lernkompetenz aufgebaut werden kann.

 

 

Lernmethoden-Training

Methoden-Trainings vermitteln z.B. wie man sein Hausaufgaben-Heft führt, wie man an Sachaufgaben in Mathe herangeht, wie man MindMaps erstellt, wie man ein Karteikarten-System führt oder wie man ein tolles Referat hält. Es geht also um Methoden-Kompetenz. 

 

Der Nachteil ist, dass hier keine persönlichen Kompetenzen aufgebaut werden, sondern eben Sachthemen im Vordergrund stehen. Zudem bleibt die Nachhaltigkeit oft auf der Strecke: was gelernt wurde, wird im Alltag nicht umgesetzt. Der Vorteil ist, dass hier wichtige Fähigkeiten aufgebaut werden, die sich nicht um das WAS (Inhalt), sondern um das WIE (Herangehensweise) kümmern und von großer Bedeutung für Lernerfolg sind.

 

Mein Tipp: Punktuell Tipps heraussuchen, wenn Bedarf da ist und dann an die persönlichen Bedürfnisse anpassen. Oft reicht es, wenn man bei youtube ein entsprechendes Stichwort (z.B. Lernplan) eingibt und dann die für sich geeignete Methode herausgreift.

 

 

Lerncoaching

Kommen wir endlich zu Lerncoaching, mit dem ich mich am besten auskenne, und das ich - oh Wunder - meist favorisiere. Im Lerncoaching haben wir einen sehr ressourcen-basierten, zielorientierten und ganzheitlichen Ansatz, um den Lernenden bei der Entwicklung seiner Lern-Persönlichkeit zu begleiten.

 

Wir haben eine Haltung, dass das Kind / der Jugendliche genau richtig ist, so wie er / sie ist und helfen, die vielleicht noch versteckten Ressourcen und Fähigkeiten zu entfalten. Dabei gehen wir sehr individuell (es gibt kein Standard-Programm) vor und finden durch viele Fragen und durch viel Ausprobieren heraus, was der Lernende braucht um sein selbst gestecktes Ziel zu erreichen.

 

Das können emotionale, mentale oder kognitive Fähigkeiten sein. Dabei machen wir Angebote, was wie ausprobiert werden kann, der Coachee entscheidet dann, was er weiter (nicht) verfolgt. Und wir unterstützen ihn dabei, die neuen Kompetenzen in den Alltag zu integrieren. 

 

Der Nachteil ist, dass nicht am konkreten Lernstoff gearbeitet wird, sondern eher auf genereller Ebene und schnelle Wunder eher die Ausnahme als die Regel sind. Der Vorteil ist, dass die Coachees sehr stark in den Prozess eingebunden sind, dass sie sich in ihrer Persönlichkeit entwickeln und für sie passende Strategien (egal bei welchem Lernthema) entwickeln können. Der Erfolg ist nachhaltig und ein wichtiges Fundament für die gesamte Lernbiographie.

  

 

Was kann für Selina das Passende sein?

Kommen wir an dieser Stelle zu Selina zurück. Welche Unterstützung kann für sie hilfreich sein? Zunächst könnte eine kurzfristige, zeitlich begrenzte Nachhilfe in Latein die Lücken schließen, damit Selina nicht immer vor einem schier unbewältigbaren Berg steht. 

 

Zeitgleich ist ein Lerncoaching sehr zu empfehlen, denn dort kann auf mehreren Ebenen gearbeitet werden. Ganz wichtig ist, dass auch das Thema Selbstwert eine Rolle spielt: Selina kann lernen, dass sie völlig ok ist, so wie sie ist und selbst etwas tun kann, um die Situation zu verbessern. Zusätzlich würden wir herausfinden, welche Strategie sie bisher beim Lernen von Latein und Rechtschreibung hat und ob diese günstig ist. Schreibt Selina womöglich stark nach Gehör? Lernt sie 20 Latein-Vokabeln auf einmal? ... Danach werden andere, neue Strategien angeboten und ausprobiert. Diese können dann auch auf anderen Lernstoff, z.B. Biologie oder Englisch übertragen werden. 

 

 

Und schließlich bekommt auch die Mutter Claudia Unterstützung, wie sie deutlich entspannter unterstützen kann und die Beziehung zur Tochter entlastet und sie wieder gut miteinander klarkommen.

 

 

Auch wenn ich natürlich ein großer Fan von Lerncoaching bin, so ist in manchen Fällen ein Mix aus mehreren, gut überlegten zeitlich begrenzten Maßnahmen sinnvoll. Und wir dürfen nie vergessen: Schule und Lernen sind nur EIN Teil im Leben, der Rest darf auch Raum bekommen.

 

 

 

Übrigens: die nächste Lerncoach-Online-Ausbildung startet am 10.02.20, zunächst mit dem Lerncoaching-Basiskurs, der Voraussetzung für die Fortsetzung zum zert. Lerncoach ist. Hier gibt es alle Infos.

  

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