Wenn du die beiden Bilder betrachtest: auf welchem schaue ich dich an - wenn du in einem Online-Seminar wärest?
Spontan sagen die meisten: auf dem linken Bild.
Stimmt aber gar nicht. Das wirkt nur so, d.h. du hast nur das Gefühl, ich würde dich anschauen. Vermutlich habe ich da überhaupt keine Ahnung, ob du gerade die Stirn runzelst, mir freundlich zulächelst, nickst oder den Kopf schüttelst. Tatsächlich schaue ich dich auf dem rechten Bild an und bekomme deine nonverbalen Reaktionen gut mit.
Genau das ist das Dilemma mit dem divergenten Blick in Online-Live-Seminaren. Was also machen? So tun, als würde man das Gegenüber anschauen? Oder wirklich anschauen? Ich habe hier einige Impulse für den Umgang mit dem Blick:
Kamera-Blick gezielt im Plenum einsetzen:
Immer zu Beginn eines Trainings, am Ende und wenn ich eine wichtige, direkte Botschaft habe, richte ich meinen Blick unmittelbar in die Kamera. Oder wenn ich die Gruppe insgesamt anspreche. Sobald ich damit fertig bin, schaue ich weg von der Kamera und auf meine Teilnehmenden, um die Reaktionen wahrzunehmen.
Kamera günstig platzieren:
wenn du eine externe Kamera hast, dann kannst du diese direkt vor deinem Bildschirm platzieren. Dann ist der Blick fast nicht divergent, sondern du bekommst über den peripheren Blick die Reaktionen deiner Teilnehmenden zumindest bedingt mit - auch wenn du direkt in die Kamera schaust. Für mich ist das oft immer noch zu wenig.
Die Teilnehmenden günstig platzieren:
Bei vielen Live-Online-Plattformen ist es möglich, die einzelnen Teilnehmenden-Kacheln beliebig zu platzieren. Günstig ist es, die sprechenden immer direkt unter die integrierte Kamera zu schieben (siehe Bilder), dann weicht der Blick nicht allzu weit ab.
Das Gehirn lernt mit - das kannst du unterstützen!
Doch das allerwichtigste ist aus meiner Sicht, dass das Gehirn einfach flexibel ist und immer dazulernt. Das wurde mir neulich ganz deutlich. Ich war in einem Live-Online-Seminar und sprach mit dem Trainer. Dieser schaut mich (scheinbar) direkt an und in dem Moment kam mir das befremdlich vor. Denn ich wusste genau: er tut nur so! Und das fühlte sich sehr merkwürdig an.
Mein Gehirn, das so viel Zeit in Online-Sessions verbringt, hat mittlerweile gelernt: "Das Danebenschauen ist das neue Anschauen!". Dieses Dazulernen kannst du als Trainer:in fördern und beschleunigen.
In Coachings oder bei Demos sage ich meist vorher: "Wenn ich so schaue, dann schaue ich dich direkt an. Denn es ist mir wichtig, dass ich deine Mimik und deine Körpersprache sehe.". Dadurch weiß mein Gegenüber, dass ich nicht daneben blicke, sondern sie direkt anschaue. Durch das Explizit-Machen ist es für das Gehirn des Gegenübers leichter, diese noch ungewohnte Situation richtig einzuschätzen.
Insgesamt nutze ich natürlich auch sehr oft den direkten Kamerablick. Ich verwende ihn z.B. immer dann, wenn ich zur Gruppe insgesamt spreche. ABER: immer, wenn ich in einem Dialog mit einzelnen Teilnehmenden bin, schaue ich sie direkt an. Das ist mir wichtig.
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