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Learning Culture Teil 1 - Wie kann Lernkultur erfasst werden?

An diesem Ort in Indien lösten wir kulturelle Neugierde aus :-)
An diesem Ort in Indien lösten wir kulturelle Neugierde aus :-)

 

Wenn ich auf Reisen gehe, dann bin ich sehr neugierig auf alles Sozio-Kulturelle in diesem Land - klar, als Soziologin kann ich gar nicht anders :-)! 

 

Ohne Bewertung, oft nur mit Faszination beobachte ich die Menschen um mich herum, schaue mir so gut es geht, das Alltagsleben an und lese im Reiseführer am liebsten die Rubrik "Land und Leute". Und ganz wichtig: ich tauche in die Koch- und Essgewohnheiten ein. Und ... und ... und ... . 

 

Jetzt wisst ihr, weshalb mir die Erfassung von Lernkulturen so viel Spaß macht: Ich darf in unbekannte Unternehmens-Länder reisen

Was ist Lernkultur überhaupt?


Wir kommen nicht daran vorbei, mit einem gemeinsamen Verständnis des Begriffes zu arbeiten. Nicht, um einem akademischen Interesse zu folgen, sondern um in der Praxis auf eine gemeinsame Basis zurückgreifen zu können. Wir verstehen darunter:

 

Die Summe aller Werthaltungen und Einstellungen zu Lernen, das gemeinsame Verständnis von wichtigen Lernskills, die Rahmenbedingungen von Lernen, Verhaltensweisen aller an Lernprozessen beteiligten Personen und eine formulierte Lernvision und deren Durchdringung des Alltag.

 

Es gibt funktionale und dysfunktionale Lernkulturen. Lernkultur ist nie individuell, sondern es gibt immer eine gemeinschaftliche Komponente.

Welche Modelle sind bei der Erfassung von Lernkultur nützlich?


Wir sehen bekanntermaßen nur das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Neben Neugierde und Offenheit braucht es auch Modelle, damit uns bei der Kultur-Erforschung nichts durchrutscht.

  • Unser wichtigstes Modell ist das Clare Graves Values System-Modell (GVS) weil es Hoch-Komplexes sehr schnell auf den Punkt bringt und handhabbar macht. Mit seiner Hilfe bekommt man den Zugang und die Innensicht, die wichtig sind, um Maßnahmen ableiten zu können. Ein frei nutzbarer Lernkultur-Check liefert erste Ideen (noch in der Beta-Phase). 

  • Zudem nützlich sind die Veränderungsebenen nach Robert Dilts, die wunderbar mit dem GVS Modell verbunden werden können: so schauen wir auf ...
    • die äußeren Rahmenbedingungen (Lernformate, Lernräume, Lernzeitbudget ...),
    • die Verhaltensweisen (wer formuliert Lernziele, wer wählt welches Seminar nach welchen Kriterien aus ...),
    • die angestrebten Skills (selbstorganisiert, diszipliniert, zuverlässig, vertrauensvoll, eigeninitiativ ...),
    • die Einstellungen ("Lernen ist Arbeit" oder eher "Lernen ist Freude")
    • die Werte rund ums Lernen (Status, Qualität, Entwicklung, Normerfüllung, Potenzialentfaltung ...).

  • Man ist versucht, auch die individuelle Ebene von Lernkultur zu berücksichtigen, wie z.B. Metaprogramme (Denk- und Verhaltensmuster)  oder die Myers Briggs Typologie.

    Allerdings sind sie in diesem Kontext nur dann relevant, wenn die Ausprägungen kulturprägend sind, denn Kultur hat immer etwas mit Gemeinsamkeit zu tun, z.B. wenn das Team überwiegend introvertiert ist.

    Oder: das kulturelle Moment ist, dass es ein gemeinsamer Wert ist, dass z.B. unterschiedliche Persönlichkeiten in Weiterbildungen berücksichtigt werden. 

Auch andere Modelle sind hilfreich, wie das von Nele Graf entwickelte LEKAF welches nach meiner Kenntnis v.a. auf individuelle Lernkompetenzen abzielt. Daher ist es für mich eigentlich nicht kultur-erfassend, wurde jedoch in dem Zusammenhang oft erwähnt. Leider kenne ich mich mit diesem Modell zu wenig aus, um es wirklich beurteilen zu können.

 

Die Sinus-Milieus jedoch kenne ich aus meiner TV-Zeit noch recht gut. Sie erfassen Werte- und Einstellungs-Cluster von Gleichgesinnten auf Unternehmens- und Gesellschafts- Ebene und können hier wertvolle Dienste leisten.

 

Wichtig scheint mir, dass man sich irgendwann auf ein Modell fokussiert, um sich nicht zu verzetteln.

 

Welche Methoden eignen sich?


Modelle lenken die Blickrichtung, die Aufmerksamkeit und bilden ein Gerüst, das mit den gewonnenen Informationen gefüllt wird. Die Wahl der Methoden kann uns aus gewohnten Pfaden heraustreten und in unentdeckte Gebiete vordringen lassen. Hier sind einige Möglichkeiten, von kreativ bis standardisiert:

 

Jeopardy spielen.

Diese Methode ist erst vor kurzem wieder von Nele Hirsch bei mir aktiviert worden und ich habe sie sogleich auf LinkedIn ausprobiert.

 

Ich habe in einem Post gefragt: "wenn LERNKULTUR die Antwort ist, wie ist dann die Frage dazu?". Ziel ist, auf neue Aspekte von Lernkultur zu kommen.

 

Hier ein paar Antworten (entscheidet selbst, wie gut passend ihr sie findet) - Danke an alle, die mitgemacht haben:

  • Wie wird mein Unternehmen robust gegen Krisen und äußere Einflüsse jedweder Art?
  • Was gilt es, in Unternehmen sowie für sich privat für eine gute und freudvolle Weiterentwicklung täglich zu praktizieren, stetig zu reflektieren und immer wieder ein Stück neu zu erfinden?
  • Wie nennt man das System, in dem alle lernen dürfen, wann und was sie brauchen, unterstützt und begleitet werden und Lernen Teil des Lebens ist?
  • Was muss sich mit-entwickeln, wenn Blended Learning in Unternehmen eingeführt wird?
  • Was beschreibt das Verständnis, die Rahmenbedingungen und Umsetzung des Lernens in einer Organisation?
  • Wovon ist Dein Lernerfolg abhängig?
  • Was müssen Firmen im Zeitalter von KI und AI fördern, um auch in der Zukunft interessant für ihre Mitarbeiter zu bleiben?

 

ABC-Liste nach Vera F. Birkenbihl erstellen

So funktioniert die ABC Liste: Auf einem Blatt Papier oder Concpetboard oder wie hier auf einem Padlet das Alphabet aufschreiben und dann Stichwörter rund um Lernkultur aufschreiben.

  

Querbeet und unzensiert. Einzeln oder im Team. Ich lasse sie dann gerne ein paar Tage liegen und immer wenn ein neuer Gedanke kommt, füge ich ihn hinzu. Nach ca. einer Woche schaue ich dann, was Neues dabei ist.

Hier kannst du eine Online-ABC-Liste zu Lernkultur mitgestalten

 

Mit einem metaphorischem Rahmen arbeiten

Dies liegt bei diesem Thema auf der Hand, denn die Metapher des Reisens kann super genutzt werden. Gehe der Frage nach: wenn die Lernkultur eine Reise wäre, wie wäre sie gestaltet? Als geführte Reisegruppe oder als Individualreise? Mit einem festen Programm oder einer Planung von Tag zu Tag. ... 

 

Nicht-teilnehmende Beobachtung

Möchte ich ein möglichst unverfälschtes Bild von einer Lernkultur gewinnen, ist eine nicht-teilnehmende Beobachtung die erste Wahl.

  

Das bedeutet, dass ich als Beobachterin möglichst unerkannt bleibe, um das Ergebnis nicht zu beeinflussen. Dazu brauchst du eine Art Beobachtungs-Matrix (in unserem Falle strukturiert nach dem GVS), in der du deine Beobachtungen festhältst. 

 

Dazu gehört:

  • Mission und Vision bzw. Werte des Unternehmens in Bezug auf Lernen
  • Vorhandenen Seminarkatalog sichten nach Art der Lernformate usw.
  • Blogartikel zum Thema Lernen im Unternehmens-Intranet auswerten
  • Social Media Posts in Bezug auf Lernen durchforsten 
  • Interne Seminarraum-Gestaltung anschauen, wo werden Seminare extern gerne gehalten
  • Gibt es individuelle Lernräume und wie sehen sie aus
  • wenn möglich bei Tagungen oder Seminaren als Beobachterin dabei sein
  • ...

 

360° Befragungen

Um ein möglichst klares Bild von der Lernkultur zu bekommen, reicht es nicht, das Learning & Development Team zu befragen (hier wird zwar die Vision oft sehr deutlich, aber nicht immer die Realität der Lernenden abgebildet).

  

Es braucht möglichst eine Rundum-Perspektive durch Befragung folgender Bereiche / Personen:

  • Lernende auf allen (hierarchischen) Ebenen und aus ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern
  • Führungskräfte
  • Learning & Development, HR, Personalentwicklung 
  • Unternehmensführung
  • und evtl. auch Kund:innen oder Dienstleister:innen

 

Wo sind Gemeinsamkeiten und wo sind Unterschiede? 

 

Braucht es immer so eine umfassende Erfassung?


Das Wort "immer" gibt schon die erste Antwort: nein, natürlich nicht.

 

Grundsätzlich gilt aber: wenn es um ein großes, viele Unternehmensbereiche betreffendes Changeprojekt geht, dann ist eine ausführliche Lernkulturanalyse Gold wert, damit die später entwickelten Maßnahmen auch wirklich zum Erfolg führen.  

 

Wenn es dagegen um ein konkretes Team geht, das sich auf den Weg machen möchte, neue Lernformen auszuprobieren, weil die bisherigen nicht mehr ausreichen, dann ist es ok, den Focus zunächst nur auf dieses Team zu richten. Z.B. in einem Learning Culture Team Workshop dem eine digitale Befragung wie z.B. diese vorausgegangen ist.

 

Oder wenn es um die Einführung eines neuen Lernformates (z.B. Flipped Learning Lernprojekt statt 'Stand Alone Seminar') geht, dann kann man sich vorher (z.B. mit Hilfe von Interviews oder des Learning Culture Checks) ein Bild machen, wie die Lernkultur bei der Zielgruppe ist, um sowohl die Einführung als auch die Umsetzung so zu gestalten, dass es angenommen wird. 

 

Wie geht es nach der Erforschung weiter?


Lernkultur zu erfassen ist der erste Schritt, danach folgt eine Frage- und Planungsphase. Während ich in der Erhebungsphase noch komplett neutral und wertoffen bin, sind die nächsten Schritte davon geprägt, wie man mit den gewonnenen Erkenntnissen umgeht:

  • wird eher eine dysfunktionale oder eine funktionale Seite der Lernkultur gelebt?
  • ist sie noch zeitgemäß oder bedarf sie eines Entwicklungsimpulses? 
  • wie kann eine Learner Persona formuliert werden?
  • wie rigide, disruptiv darf ein Lernkultur Wandel sein oder wie sanft und anschlussfähig muss sie sein?
  • ...

 

Im nächsten Artikel nähern wir uns genau diesen Fragen an.

Lernkultur Check kostenlos


Unser Learning Culture Team Check befindet sich noch in der Beta-Phase, kann aber schon jetzt ausprobiert werden. Es steht unter der Creative Commons License CC BY 4.0 zur Nutzung zur Verfügung.

 

Feedback herzlich Willkommen :-).

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