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Lernen muss anstrengend sein, damit es richtiges Lernen ist!

wie das mindset über die Art des Lernens entscheiden kann
wie das mindset über die Art des Lernens entscheiden kann

 

Diesen Satz hat vor einigen Monaten eine Medizin-Studentin zu mir gesagt, nachdem wir uns im Lerncoaching mit Mnemotechniken beschäftigt haben. Für einen Lernstoff, für den sie normalerweise 1h + ca. 1h Wiederholungszeit brauchte, hatte sie in 15min + 2x5min Wiederholung gelernt, also in der Hälfte der Zeit.

 

Statt froh und erleichtert zu sein, sah sie unglücklich aus und ich erkundigte mich nach dem Grund. Was sie sagte erstaunte mich nicht, denn leider höre ich das immer wieder - auch von Erwachsenen: "es fühlt sich komisch an, gar nicht wie richtiges Lernen. Für mich ist Lernen, das nicht anstrengend war, irgendwie nicht richtig!".

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Abnehmen und Lernen?

Daran erinnerte ich mich, als ich Anfang September den (sehr zu empfehlenden) Newsletter von Bent Freiwald "Das Leben des Brain" las. Dort ging es eigentlich um etwas ganz anderes, nämlich um Essen, Abnehmen und Neurobiologie. 

 

Eine der wissenschaftlichen Erkenntnisse rund um den Wunsch nach Gewichtsverlust ist nämlich, dass der Sättigungsgrad bzw. das Sättigungsgefühl sinkt, wenn uns ein Essen gut schmeckt. So nach dem Motto: Ein leckerer Burger geht noch, ich fühl mich noch gar nicht satt. Und umgekehrt: Essen, das uns nicht schmeckt, macht schneller satt. Ziemlich fies vom Hirn! 

 

Wenn ich jetzt das Sättigungsgefühl mit "zufriedenem Lerngefühl" ersetze und das Essen mit "Lernen", dann tut sich da für mich eine Analogie auf. Leckeres Essen = leichtes, freudvolles Lernen und schlecht schmeckendes Essen = hartes, anstrengendes Lernen.

 

Spielt uns das Gehirn also womöglich auch beim Lernen einen Streich, indem es nur dann ein Lernsättigungsgefühl zulässt, wenn wir uns richtig angestrengt haben? Und wenn ja, woher kommt das?

Die Lernsozialisation hat vermittelt:  Lernen = Anstrengung

Vor Jahren hatte ich schon mal eine kleine Befragung bei einer ganz bunten Mischung von Personen gemacht: bei Kolleg:innen, Klient:innen, Kindern, Jugendlichen, in der ich fragte, was für sie eigentlich Lernen ist. Und was kam heraus? 80% setzten "Auswendiglernen" an Stelle eins und an Stelle zwei "Inhalte verstehen und wiedergeben können".

 

Ganz abgesehen vom informellen Lernen (lockere Gespräche zu einem Thema, Lernen am Vorbild ... usw.), gibt es auch formelle Lernformate wie z.B. Diskussionen, Lernzirkel, LOL, Ausprobieren, Journaling ... usw., die zunächst viele nicht als "richtiges" Lernen bezeichnen würden.

 

Es scheint als hätte die Lernsozialisation, also die unbewusste, implizite Vermittlung wie Lernen zu sein hat, schon früh diese Haltung hervorgebracht. Und diese tragen wir lange mit uns mit - auch in das hohe Erwachsenenalter hinein.

Können wir solche Lernmuster umlernen?

 

Im Grunde geht es hier um das mindset oder um Haltung oder Einstellung oder um die Beliefs rund um das Thema "was ist richtiges Lernen". Wir wissen, wir wechseln Haltungen nicht von heute auf morgen, sondern es braucht Zeit und Strategie.

 

Im Lerncoaching oder in der Learning Facilitation sind dies übliche Schritte:

  • Bewusstmachung von solchen Belief-Systemen
  • Reflexion: wie hilfreich oder hinderlich sind sie?
  • Trennung: Von welchen möchte ich mich verabschieden, welche möchte ich behalten?

  • Methoden:
    • Hinderliche Glaubenssätze notieren und kreativ loslassen, z.B. verbrennen, ins Museum hängen ...
    • Reframen, also den Satz in einen neuen Rahmen setzen: "nicht das Anstrengende ist das wichtige, sondern das tolle Gefühl danach!"
    • Neue Bedürfnisbefriedigung finden: z.B. das "Lernfeierabendgefühl auch dann zelebrieren, wenn das Lernen leicht war!"
    • Bei leichtem, freudvollen Lernen explizit die Erfolge festhalten, am besten schriftlich.
    • Den inneren Dialog bewusst steuern: "Heute hab ich richtig was geschafft!", "Das war ja easy - gut gelernt!" Hier gilt das Motto: fake it until you feel it.
    • Auch über Submodalitäten (eine mentale Technik aus dem NLP) kann gut an hinderlichen Einstellungen gearbeitet werden.
    • Neue, förderliche Glaubenssätze entwickeln, z.B. "Lernen darf sich leicht anfühlen!", "ich darf nach dem Lernen voller Energie sein!" usw.

  • Diese neue Haltung bzw. das neue mindset sollte man immer wieder üben, anwenden, fühlen. Nach und nach wird ein Wandel bemerkbar sein: wenn man an Lernen denkt, taucht nicht mehr sofort das innere Bild oder Gefühl von Erschöpfung auf, sondern das von Leichtigkeit und Energie. Mission accomplished.

Und was, wenn es wirklich anstrengend ist?

Natürlich ist Lernen auch mal anstrengend und zäh und man ist immer wieder froh, dass es vorbei ist. Bei den einen mehr als bei den anderen. Das ist auch völlig in Ordnung - nicht alles muss immer total easy sein. 

 

Wenn ich auf den Berg gehe, sind fast immer auch Phasen dabei, wo ich schnaufe, die Beine brennen und ich richtig ins Schwitzen gerate. Wenn ich aber abends zurückblicke, dann war die Bergtour nicht deswegen toll, weil ich mich total anstrengen musste, sondern will die Natur und der Ausblick beeindruckend war. Und wenn die Tour leicht ist, blicke ich mit einem genauso befriedigten Gefühl zurück. 

 

Wichtig ist, dass wir die Anstrengung nicht mit "erfolgreich" oder mit "gut und richtig" gleich setzen. Dann wird es hinderlich, dann werden wir leichte Lernformen viel zu wenig nutzen, auch wenn sie super erfolgreich sind. 

Fazit: es lohnt sich am mindset zu arbeiten!

Wer sich von alten Zöpfen wie "Lernen muss anstrengend sein" befreit, erweitert sein Lernspektrum, verbindet das Lernen mit mehr positiven Erfahrungen und Emotionen und macht sich dadurch das Lernleben viel leichter.

 

Der Ausdruck "lebenslanges" Lernen wird dann nicht mehr negativ mit "lebenslänglich" konotiert, sondern mit "Wie schön, ich darf mir immer wieder neuen Lernstoff suchen." :-).


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