Ich war heuer zum ersten Mal beim eduCamp, organisiert vom eduCamps e.V., dabei ist es schon das 29. gewesen!
Ziel ist Menschen aus allen Bildungsbereichen in einem offenen Format (dem BarCamp) zusammenzubringen. Austausch über gute Bildung jetzt und in der Zukunft vereint dabei alle, die dabei waren.
Die Teilnehmenden und -gebenden waren zwar überwiegend aus dem schulischen Kontext, für mich war der gedankliche Transfer in die Unternehmenswelt jedoch sehr leicht. So habe ich für das Lerncoaching und das Corporate Learning eine Menge mitnehmen können.
Der Rahmen des eduCamps
- Ankommen am Freitag Nachmittag in der ehemaligen Hochschule von Halle, die vor einigen Jahren von der Reformschule "Riesenklein" in toller Lage mit ganz besonderen Räumlichkeiten gekauft wurde.
- Danach Führung von Doreen Iser (Koordinatorin des Riesenklein) durch die Räumlichkeiten mit vielen Geschichten aus dem reformpädagogischen Ansatz. Über die gelebte Utopie eines selbstgesteuerten, freudvollen schulischen Lernens und Lebens staunten wir nicht schlecht.
- Samstag Eröffnung durch die Veranstalter:innen mit interaktiver Kennenlernrunde mit den ca. 150 neugierigen Menschen sowie Erklären der BarCamp-Idee anhand eines Quiz.
- Session-Vorstellung: Kaum war die Bühne freigegeben, stellten sich bereits am ersten Tag ca. 40 Leute an, um einen Session-Vorschlag einzureichen. In 5 Zeitslots à 45min füllte sich das Programm ruck zuck. Innerhalb kürzester Zeit war durch fleißige Helfer:innen auch das digitale Bord bestückt und dank QRCode immer dabei.
- Für Essen und Trinken sorgte der Sponsor "Papenburg AG". Das Mittagessen stand zwischen 12-14 Uhr bereit, man aß wie man grad Lust und Hunger hatte.
- Abends gab es noch ein lockeres Zusammensein mit allen, die Lust drauf hatten.
- Am Sonntag lichteten sich die Reihen etwas, und trotzdem kamen an die 20 neue Sessions zusammen.
- Und nach einem kurzen gemeinsamen Abschluss am Mittag fuhren alle beseelt und voller neuer Ideen nach Hause.
Was ich besonders fand
In einer Retro im Nachgang wurde nach 3 Begriffen gefragt, die die Veranstaltung beschreiben - es sind vier geworden und ich musste nicht lange darüber nachdenken.
Unkompliziert
Mein erster Gedanke war: hier ist alles so unkompliziert - egal ob es um die Anmeldung, das Essen, die Sessions, das Abstellen von Campern vorm Haus oder die Räumlichkeiten ging, alles fühlte sich einfach und leicht an. Natürlich überträgt sich das auch auf die Teilnehmenden.
Zugänglich
Dadurch, dass das BarCamp komplett kostenlos war (Tagungsort, Verpflegung, Übernachtung im Haus), war es auch für wirklich jedermann und jedefrau zugänglich. Auch die, um die es letztlich ging, waren herzlich eingeladen, dabei zu sein: Kinder und Jugendliche. Barrierefreiheit mal anders.
Offen
Dass das BarCamp-Format des Wochenendes zu einer Offenheit im Geiste enorm beiträgt, habe ich bereits in einem anderen Artikel beschrieben. Hier möchte ich noch einen anderen Aspekt ins Spiel bringen: fast alle Räume des Riesenklein standen offen, wir durften jederzeit in alle Lernateliers, Lern- und Werkräume gehen und uns umschauen. Nur die persönlichen Sachen der Schüler:innen waren tabu.
Kollegial in jeder Beziehung
Ich habe in den Sessions und auch sonst überall sehr viel Kollegialität erlebt. Alle waren engagiert, freundlich und interessiert. Das ist ja auch nicht immer so.
Was ich an Learning Nuggets mitnahm
Aus jeder Session konnte ich etwas mitnehmen - und das ist nicht so oft der Fall :-)
- Die Austausch-Freudigkeit überall hat mir sehr gefallen. Es gab - zumindest dort, wo ich dabei war, keine Vorträge, sondern nur ein paar Impulse vorneweg und dann kam auch schon Diskussion
und Austausch in Gang.
- KI wird bei den Lehrenden schon sehr selbstverständlich eingesetzt - Bedenken und Probleme standen nicht im Vordergrund, sondern das gemeinsame konstruktive "Hirnen" dazu.
Ich habe viele neue Impulse, Tools und Anwendungen mitgenommen.
- Leider musste ich feststellen, dass sich auch bei einer so innovativen Gruppe, viele Lernmythen hartnäckig halten (Lerntypen-Modell, 70-20-10 Lernmodell, Synchronisieren von rechter und
linker Gehirnhälfte ...).
- Mir ist an diesem Tag bewusst geworden, dass ich so etwas wie eine Grenzgängerin oder Brückenbauerin zwischen Unternehmen und Schule bin. Ich glaube, hier ist noch viel mehr gegenseitige Befruchtung möglich.
Welche Ideen ich weiter verfolgen möchte
Die Heimfahrt nach München dauerte gut 5 Stunden, eine wunderbare Möglichkeit, um die Gedanken zu sortieren und v.a. die gewonnenen Ideen zu bündeln und die konkrete Umsetzung zu planen.
- Reformschüler:innen können Mentor:innen in Unternehmen werden, indem sie zeigen, wie selbstbestimmtes Lernen möglich ist und welche Rahmenbedingungen es braucht.
- Unternehmen könnten als Botschafter des selbstorganisierten Lernens an Schulen gehen und mit Schüler:innen etwas aushecken, wie es gelingen kann, dass sie schon als hoch
entwickelte Lernpersönlichkeiten in den Arbeitsmarkt starten, z.B. durch gezieltes Sponsoring von Lerncoaching, Workshops, EduScrum Projekten ... .
- Eine kurze Diskussion über formales und informelles Lernen hat sich bei mir festgesetzt. Ich merkte, dass es hier ganz unterschiedliche Definitionen gibt. Dem möchte ich nachgehen und
herausfinden, welche Konsequenzen dies für die Gestaltung von Lernreisen hat.
- Fasziniert hat mich die Idee der cMOOC (connective
massive open online course), bei dem montags ein kurzer Impuls gesetzt wurde und Lernende in ihren eigenen Netzwerken darüber diskutieren konnten. Völlig selbstorganisiert und
selbstbestimmt. Nur der Hashtag musste genutzt werden, so dass am Ende der Woche die Erkenntnisse zusammengefasst und geteilt werden konnten. Ich überlege schon, wie ich das für die Lerncoaches
initiieren kann.
- Weil diese Beteiligung und der Austausch wieder einmal so bereichernd war, würde ich gerne ein Online-Mini-BarCamp für Lerncoaches gestalten (evtl. im Rahmen der Stammtische). Bisher waren unsere BarCamps nämlich eher für eTrainer:innen.
Fazit: Viel gelernt, viele Ideen bekommen, tolle Menschen kennen gelernt und noch ein Sahnehäubchen obendrauf
Ich habe die Zeit auf dem eduCamp sehr genossen und viel mitgenommen:
- Ich habe viele engagierte Menschen kennengelernt, denen die Schüler:innen und die Zukunft von Bildung wirklich am Herzen liegen. Das stimmt mich sehr optimistisch.
- Ich habe viele Impulse bekommen, die nun auf Weiterverarbeitung warten.
- Und das Sahnehäubchen: nach der Anmeldung zum Camp stellten wir fest, dass der TSV 1860 sein Auswärtsspiel am Samstag in Halle hatte. Wir waren im Stadion und konnten einen 2:0 Sieg
feiern.
- Halle als Stadt fand ich spannend: viele sehr alte Gebäude dazu DDR-Charme und v.a. sehr freundliche, offene und lustige Menschen - sogar als wir aus Versehen mit den 60er Schals am falschen
Ende des Stations standen inmitten von Halle-Fans, wurde uns freundlich der Weg zu unserem Block erklärt.
Es wird sicherlich nicht das letzte eduCamp gewesen sein!
Auch wir veranstalten seit 2020 Online-BarCamps, hier kannst du dich auf dem Laufenden halten.
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