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Empathy Walk für Lerntransformations-Begleitung

Eine Methode aus der Theory U in der Praxiserprobung
Eine Methode aus der Theory U in der Praxiserprobung

 

 

Im November hatte ich die Chance, den Beginn eines  Implemetierungsprozesses von Lerncoaching in einer Firma zu begleiten. 

 

Der Anlass war, dass zwar eine Gruppe toller Lerncoaches ausgebildet wurde, dieses so wertvolle Angebot von den Mitarbeitenden aber leider nicht so angenommen wurde, wie man dachte.

 

Mein Impuls war: zunächst genau zuhören, was die Mitarbeitenden über Lerncoaching denken, fühlen und sie abhält, es in Anspruch zu nehmen. Erst dann wird gemeinsam mit ihnen die Transformation entwickelt. Eine Methode für dieses Zuhören ist der Empathy Walk.

Der Ausgangspunkt

Bei der Begleitung des Prozesses orientierte ich mich an der Theory U, bei der davon ausgegangen wird, dass Veränderung dann eine Chance hat, wenn man zunächst die Betroffenen in den Mittelpunkt rückt und ihnen mit offenem Geist und offenem Herzen zuhört. Erst dann wird unter Partizipation aller der Changeprozess gestaltet.

 

Diese Haltung ist für viele ungewohnt und darf erst aufgebaut werden (fast auch schon ein kleiner Changeprozess). Genau dafür wurde ich als Begleiterin engagiert, d.h. ich habe mit dem Transformations-Kernteam an dieser Haltung gearbeitet. Hauptthema war das genaue Zuhören als Beginn von allem.

Der Empathy Walk als Methode

Konzepte rund um das Zuhören gibt es viele (z.B. der Klassiker: das aktive Zuhören nach Carl Rogers oder das Deep Listening nach Pauline Oliveros  oder The Five Levels of listening nach Oscar Trimboli ...). Als Methode innerhalb des Stufenmodells des Zuhörens nach Otto Scharmer (Begründer der Theory U) hat mich der Empathy Walk tief beeindruckt. Er beinhaltet für mich alles, was es braucht, um nachhaltige Veränderung zu ermöglichen.

 

Daher wählte ich ihn als Kernelement in unserem Workshop. Zuvor konnte ich ihn im Kolleg:innen Netzwerk testen und viele Impulse für die gute Umsetzung gewinnen. Danke nochmals an die "Hühner" dafür :-).

 

Ziel der Methode ist: Empathie und Offenheit üben

Voraussetzungen

 Es gibt einige Regeln oder Maßnahmen, die wichtig sind, damit der Walk gelingt:

  • Empathie üben wollen
  • Las Vegas Prinzip: alles bleibt bei den beim Walk beteiligten Personen
  • Regeln für das Zuhören tragen alle mit 
    • das Gegenübers redet, du stellst Fragen (nur Interesse-, Infogewinnungs-, Verständnisfragen, aber keine Lösungsfragen)
    • bevor du eine Frage stellst, lasse das Gehörte ein paar Sekunden sacken
    • du bringst keine eigenen Erfahrungen, keine eigene Perspektive oder gar Themen ein (auch wenn dein Gegenüber dich dazu einlädt)
    • Lösungen oder Ideen, die in deinen Gedanken entstehen, darfst du sofort weiterziehen lassen
    • du bewertest, beurteilst oder verurteilst nicht
  • Je nach Vorkenntnissen ist es hilfreich eine Zuhörübung jenseits des Workshop-Themas vorzuschalten, z.B. "wie war dein Wochenende", um die o.g. Regeln zu üben
  • Den Kopf freimachen, indem z.B. symbolisch alles vorhandene Wissen, Glauben oder Bewertungen imaginär an den Garderobenhaken gehängt wird. Zusätzlich kann ein innerer Raum gefunden werden, in den man spontan auftretende Bewertungen parkt.
  • Ideal ist es, wenn der Ort einen ca. 1-stündigen Spaziergang durch die Natur erlaubt (Natur öffnet den Geist, lässt uns als Teil von etwas Größerem erleben und Bewegung bringt Schwung ins Denken ...).

Ablauf als Übung

Ein Teil der Methode findet in der gesamten Gruppe statt, ein anderer Teil in Tandems.

 

Sammeln von konträren Themen

Um Empathie und Offenheit üben zu können, braucht es Themen, zu denen ich eine konträre Einstellung basierend auf Werten, Erfahrungen oder Wissen habe. 

 

In der Gruppe werden zunächst Themen als Aussagen gesammelt (von harmlos: "Weihnachtsbäume sind nicht mehr zeitgemäß" bis hin zu tieferen Themen wie "Frieden braucht Krieg". Die Themen werden auf Karten geschrieben und am Boden ausgelegt (oder aufs digitale Whiteboard geschrieben).

 

Dann wird eine Skala mit Seil oder Kreppband mit den Polen "Zustimmung" und "Ablehnung" ausgelegt.

 

Zuordnung zu Zustimmung oder Ablehnung

Jetzt schreibt jede:r den eigenen Namen auf mehrere Moderationskarten und legt sie ab. Dabei wird markiert, wer wie stark den Aussagen zustimmt / sie ablehnt. Diese Zuordnung findet in Stille und ohne Bewertung (auch ohne nonverbale Signale) statt.

 

Paare finden sich dort, wo eine starke Zustimmung auf starke Ablehnung trifft. Diese auseinanderklaffende Haltung ist zu begrüßen und ein wunderbares Übungsfeld.

 

Es wird vorher vereinbart (gerne auch gelost), wer die redende und wer die zuhörende Person ist. Es wird danach nicht gewechselt (sehr wichtiges Element für den Lerneffekt)

 

45min Empathy Walk durch die Natur

Die Tandems finden sich über möglichst weit auseinander klaffende Haltungen. Sie verlassen den Workshopraum und gehen idealerweise durch die Natur. Sollte dies nicht möglich sein, sucht man sich einen ruhigen geschützten Ort in der Location. Findet das ganze Online statt, dann kann man telefonierend durch die Natur gehen.

 

Die ersten 5 Minuten können ein Gehen in Stille sein, um sich selbst zu sortieren und zu finden. Dann wird gestartet, indem die redende Person ihre Haltung zu dem Thema beschreibt. Die zuhörende Person fragt offen, interessiert und empathisch (siehe Regeln oben) nach. 

 

Die letzten 5 Minuten finden wieder in einem Silent Walk statt, um die eigenen Gedanken sortieren zu können.

 

In der Gruppe werden Erkenntnisse geteilt

Zurück im Workshopraum geben alle Beteiligten kurz Rückmeldung, was sie aus dem Gespräch gelernt haben, ohne dass klar ist, wer Zuhörende:r und wer Redende:r war.

Umsetzung im Transformationsprozess

Der oben beschriebene Ablauf hat das Ziel, das offene Einlassen auf andere Menschen zu üben. Übende sind Transformationsbegleiter:innen. 

 

Wenn dies gut gelingt, dann kann das in den eigentlichen Prozess integriert werden, d.h. die Transformationsbegleiter:innen sammeln zusammen mit Betroffenen Themen (z.B. zum Thema Lerncoaching im Unternehmen) als Aussagen. Auch hier ist es sehr spannend, wenn die Haltungen weit auseinanderklaffen. 

 

Im Anschluss wird festgehalten, was man für den gesamten Prozess gelernt hat bzw. was unbedingt berücksichtigt oder vermieden werden muss. 

Fazit

Ich finde den Empathy Walk deswegen so beeindruckend, weil er mehr als nur eine Methode ist. Er fördert die ganz grundlegende Haltung des interessierten und offenen Zuhörens und Ernstnehmens, und man selbst tritt in den Hintergrund. 

 

In dem konkreten Beispiel hat diese Übung sehr viel bewirkt und sehr viel Nachhall ausgelöst. 

 

Wenn man das immer wieder übt (geht auch im Privaten sehr gut), schafft man beste Voraussetzung für mehr gegenseitiges Verstehen und partizipative Veränderung. 

 

❗️Allerdings darf man sich der Nebenwirkung bewusst sein: wer sich mit gutem Zuhören intensiv beschäftigt, dem wird auffallen, wie schlecht ganz viele Menschen zuhören können 😊. Das darf man keinesfalls persönlich nehmen. 


 

Interesse an einer Lerncoach-Ausbildung im offenen Programm oder inhouse?


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