Seit etwa einem Jahr spreche ich immer wieder davon, dass wir von dem Begriff "lernende Organisation" wegkommen und vielmehr den einer "neugierigen" verwenden sollten.
Dies stößt immer wieder auf Unverständnis, denn viele Unternehmen würden sich noch nicht einmal als lernende Organisation bezeichnen, selbst wenn es auf dem Papier der Firmen-Vision steht. Wie soll dann ein Schritt weiter gelingen?
Warum dies gar keine Weiterentwicklung, sondern aus meiner Sicht eine grundsätzlich andere innere Haltung ist und welche Auswirkung dies hat, beschreibe ich im Artikel.
Was bedeutet eine "neugierige" Organisation?
Von einer lernenden Organisation kann gesprochen werden, wenn es zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dass Mitarbeitende regelmäßig dazulernen. Oft wird in Jahresgesprächen vereinbart, dass mindestens ein fachliches und ein Soft-Skill Seminar besucht wird. Mit dieser Maßnahme wird man schnell zur lernenden Organisation.
Wer sich mit Corporate Learning beschäftigt weiß, dass dies nicht reicht, um aktuelle, brennende Herausforderungen bewältigen zu können. Erst recht nicht, wenn das als Vorgabe oder gar Zwang zum Selbstzweck durchgesetzt wird. Besonders letzteres entspricht nicht mehr den Anforderungen einer modernen Business-Welt.
Viel besser wäre es, wenn alle Mitarbeitenden ...
- selbst voller Wissensdurst und Tatendrang sind,
- Hunger nach Neuem haben,
- permanent auf der Suche nach Lernchancen sind,
- ihre Lern-Antennen immer ausgefahren haben
- süchtig danach sind, Neuland zu entdecken
- ...
Soweit die Theorie. Nur, wie kann dieser Wandel gelingen? Spoiler: nicht, indem man einen Blogartikel dazu liest - ein Artikel kann nur ein Samenkorn sein, das auf fruchtbaren Boden fällt und dann wachsen darf.
Wie wird eine Organisation neugierig?
Wenn eine Organisation neugierig ist, dann ist sie entweder schon bereits mit dieser Vision gestartet oder sie hat einen Kulturwandel erfolgreich vollzogen. Neu so zu beginnen als Firma ist viel einfacher als eine bestehende Kultur zu verändern.
Es braucht Zeit:
Es geht nicht von heute auf morgen und auch nicht von heute auf übermorgen, sondern es braucht Zeit. Manchmal 1-2 Jahre. Auch Neugierde und das Lernen brauchen Zeit.
Eine Zeit, in der wir womöglich nicht arbeitsproduktiv sind. Wird dies von allen getragen? Werden Rahmenbedingungen (Aufstockung von Mitarbeitenden - da brechen manche in hysterisches Gelächter aus!) geschaffen?
Es braucht Beteiligung und Überzeugung von allen:
Natürlich muss das Management, die Geschäftsführung überzeugt sein von der Idee, aber ein Top Down Prozess ist meist nicht erfolgversprechend. Ein reiner Bottom Up ist zwar durchaus möglich, aber oft mit Zeit- und Energieverlusten verbunden. Am besten ist ein reziproker, partizipativer Prozess. Wo also alle Unternehmensbereiche involviert sind und die Idee vorantreiben.
Es braucht ein attraktives WHY:
Warum ist es so wertvoll, neugierig zu sein? Der gute Grund kann nicht verordnet werden, sondern kann anhand von Erfahrungen und Erlebnissen aus allen Hierarchien nachvollziehbar gemacht werden.
Eine gute Strategie ist, Geschichten von Mitarbeitenden zu erzählen, die aufgrund ihrer Neugierde etwas gelernt haben, was ihnen selbst, ihrem Team und dem Unternehmen genutzt hat.
Es braucht Vorbilder und Botschafter:innen:
Je besser nachvollzogen werden kann, was "neugierig" bedeutet und welche positiven Auswirkungen es hat, desto schneller sitzen alle im gleichen Boot. Es gibt immer Menschen, die Vorbilder mit Strahlkraft sind. Diese können noch sichtbarer gemacht und gewonnen werden für die Idee einer neugierigen Organisation.
Es braucht Sichtbarkeit:
Je mehr ich weiß, wer was wie gerade lernt, desto selbstverständlicher wird es:
- Wöchentliche Learnlys, in denen man sich 10min im Team über aktuelle (minikleine und große) Lernprojekte austauscht.
- "Lernen" als Statusmeldung im Kalender
- "Das lerne ich gerade" als E-Mail Signatur oder Statusmeldung
- Lernräume, wo man außen seinen Namen anbringen kann
- ...
Es braucht Unterstützung:
Lernen in Unternehmen ist idealerweise potenzial-initiert und weniger problem-initiiert. Bedeutet: ich lerne nicht, weil ich etwas nicht kann (das ist natürlich auch gut!), sondern lerne, weil ich überzeugt bin davon, dass noch viel mehr Potenzial in mir steckt - egal ob es fachlicher oder menschlicher Natur ist.
Als Corporate Lerncoach merke ich aber, dass sich so eine Lernpersönlichkeit leider nicht bei allen entwickeln durfte. Daher lohnt eine Unterstützung beim konkreten (agilen) Lernablauf und v.a. bei der Entfaltung der Lernpersönlichkeit. So dass sich die Mitarbeitenden zutrauen, Lernanlässe zu finden, sie mit Lernkompetenz anzupacken, sie sichtbar zu machen und schließlich ihre Mach-Ziele zu erreichen.
Fazit - so kannst du die Initiative ergreifen
Meist schreckt so ein Kulturwandel im ersten Moment ab. Schier unlösbar scheint die Aufgabe zu sein. Aber: ich habe immer wieder erlebt, dass kleine Teams in Unternehmen einfach mal damit anfangen. Das hat Ausstrahlungseffekt und kann eine langfristige Entwicklung in Gang setzen.
Daher mein Tipp: egal in welcher Abteilung du bist, starte einfach mal in kleinen Schritten, in dem du z.B. in der nächsten Mittagspause davon erzählst, mit was du gerade experimentierst. Verzichte auf große formale Lernsettings, sondern beginne bei kleinen Dingen, z.B. "ich habe da eine neue Funktion bei Excel entdeckt, mit der XY viel leichter geht." Oder: "ich erforsche grad eine App, mit der ich mit Mini-Meditationen meine Mittagspause abschließe und ich kann sagen, ich fühle mich nachmittags nun viel fitter als vorher". Gerne dann: "und ihr so?" :-)
Meist geht es viel leichter und schneller, neugierig zu werden bzw. seine Neugierde neu zu entdecken, als man denkt!
Denn Neugierde ist der Beginn von jeder Entwicklung!
👉 Wenn du überzeugt bist, dass in deinem Unternehmen noch viel Potenzial schlummert, und das sich noch nicht so recht an die Oberfläche traut, dann kann eine Unterstützung in Form von Lerncoaching gut passen. Ich (und ein sehr gut ausgebildetes Netzwerk) stehe gerne bereit. Frage einfach unverbindlich an.
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