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Durcheinander lernen und mehr behalten mit der Interleaved Learning Methode

 

Immer schön eines nach dem anderen lernen. Erst das eine fertig machen, dann etwas Neues beginnen. Erst die Vokabeln lernen, dann den Deutschaufsatz schreiben. Erst die neue Software beherrschen, sich dann mit neuen Fachbegriffen beschäftigen. 

 

Dieses Vorgehen galt lange Jahre als richtig beim Lernen. Wirkt plausibel - ist aber lernpsychologisch nicht sinnvoll. Viel besser wäre es, "interleaved practice" anzuwenden. 

Was ist die interleaved Learning Methode?


Interleaved Learning könnte man übersetzen mit "verschachteltem, wechselndem" Lernen. Oder ganz einfach: durcheinander lernen. Es ist eine Lernstrategie, bei der die Lernenden verschiedene Themen in einer gemischten Reihenfolge anstatt in einem Block (blocked learning) lernen.

 

Laut einer Studie erzielt diese Methode viel bessere Ergebnisse im Vergleich zum klassischen Lernen und zwar in Bezug auf Verständnistiefe und vor allem Erinnerungsleistung. Vermutlich liegt es daran, dass das Gehirn grundsätzlich beim Lernen Abwechslung liebt und auf diese Weise die kognitive Belastung erhöht wird. Der Lernprozess ist anregend und anspruchsvoll, ohne überfordernd zu sein. 

Wie funktioniert interleaved Learning?


Stellen wir uns eine Abiturientin vor, die sich auf die Abchlussprüfungen vorbereitet. Statt an einem Tag zwei Stunden Mathe und dann zwei Stunden Bio und am nächsten Tag für Deutsch zu lernen, sollte sie in viel kürzen Abständen die Themen durchwechseln.

 

Also z.B. 3 Matheaufgaben lösen, dann ein Kapitel in Bio lernen, dann eine Übersicht über die literatischen Epochen erstellen. Danach könnte sie sich mit einer komplizierten Formel in Mathe beschäftigen, um dann eine Gedichtanalyse zu machen usw. 

 

Nicht nur thematisch kann sie Abwechslung ins Lernen bringen, sondern auch mit der Lernform. Sie könnte also Awendungsübungen, Sammlungen, Brainstorming, Wiederholung, dialogisches Lernen oder Aufbereitung von Lernstoff gut durchmischen.

 

Klingt nach einem ganz schön großen Durcheinander? Ist es auch. Doch genau das macht es aus, dass diese Art des Lernens so viel erfolgreicher als die herkömmliche ist. 

Vorteile von Interleaving


Verbesserte Gedächtnisleistung:
Durch das ständige Wechseln zwischen verschiedenen Themen und Lernarten wird das Langzeitgedächtnis stärker aktiviert und die Erinnerungen werden gefestigt.

  

Stabileres Konzentrationsniveau:

Durch die Abwechslung bleibt der Konzentrationslevel länger hoch. Ermüdungserscheinungen treten deutlich später ein. 

 

Besseres Verständnis:
Das (unbewusste) Vergleichen und Kontrastieren auch völlig unterschiedlicher Themen oder Probleme fördert ein tieferes Verständnis der Konzepte, ohne explizit etwas dafür tun zu müssen.

 

Erhöhte Problemlösungsfähigkeiten:
Durch die Notwendigkeit, ständig zwischen verschiedenen Arten von Aufgaben und Lernstrategien zu wechseln, werden die Problemlösungsfähigkeiten verbessert. Vermutlich, weil der Lernstoff in einer Vernetzung statt in von einander abgetrennten Silos gelernt wird. 

Konkrete Umsetzung als interleaved Lernplan


Themen sammeln 

Zu Beginn werden alle Lernthemen, die am nächsten Tag oder in der kommenden Woche anstehen gesammelt, und z.B. auf (virtuelle) Post Its oder Karteikarten geschrieben.

 

Abwechslungsreichen Plan erstellen

Mische die Karten kräftig durch und stelle einen Plan (zunächst für den nächsten Tag oder Woche) zusammen, der verschiedene Themen und Aufgaben in regelmäßigen Abständen wechselt.

 

Ich empfehle dabei in 30 bis max. 60min Einheiten zu denken. Also nach 30min bzw. allerspätestens nach 60min ein anderes Thema anzupacken.

 

Bring Spannung rein

Sehr gute Erfahrungen habe ich gemacht, wenn das neue Thema noch gar nicht bekannt ist, sondern es blind vom Kartenstapel gezogen wird. Ist es ein zu ähnliches Thema kann es in den Stapel hineingemischt werden. Das erzeugt Spannung und fördert ein offenen, neues Einlassen auf das Thema. 

 

 

Beispiel für einen abwechslungsreichen Interleaved-Lernplan:

Tag 1:

  • 15:00-15:30: Mathematik (2. Ableitung) am Tablet
  • 15:30-16:00: Biologie (Zellstruktur) an Flipchart mit Post Its
  • 16:00-16:30: Literatur (Shakespeare) draußen unterm Gehen
  • 16:30-17:00: Pause
  • 17:00-17:30: Mathematik (Geometrie) mit einer Freundin online
  • 17:30-18:00: Geschichte (Römisches Reich) mit einer Freundin vor Ort

 

Tag 2:

  • 15:00-15:30: Deutsch (Poesie) mit einem Freund im Café
  • 15:30-16:00: Biologie (Fotosynthese) am Computer auf Whiteboard
  • 16:00-16:30: Mathematik (3. Ableitung) am Tablet
  • 16:30-17:00: Pause
  • 17:00-17:30: Geschichte (Mittelalter) mit einem Freund
  • 17:30-18:00: Deutsch (Moderne Literatur) mit Heft und Stift

 

 Jede Mini-Einheit sollte natürlich mit einer 5-Minuten-Pause abgeschlossen werden. Welcher Art die Lerneinheit ist, kannst du ebenfalls berücksichtigen: Wissen aufbauen, Üben, Wiederholen, Anwenden ... . Auch das kannst du durchmischen. 

Fazit


So zu lernen ist ohne Frage zu Beginn ungewohnt. Durch unsere Lernsozialisation fühlt es sich fast falsch an. Doch diese Methode sorgt tatsächlich dafür, dass viel mehr hängen bleibt als beim altbekannten Lernen. Das Gehirn bleibt flexibel und aktiv, was zu einem besseren Verständnis und Erinnerungsvermögen führt.

 

Probiere es bei deinem nächsten Lernprojekt doch einmal aus!

 

👉🏼 Eine kleine Randbemerkung: auch bei der Planung meiner täglichen ToDos, die nichts mit Lernen zu haben, gehe ich mittlerweile interleaved vor, v.a. wegen der Konzentration und Effektivität.