Vielleicht kennst du das Szenario: du hast als Trainerin für die Zeit nach dem Seminar verschiedene Möglichkeiten geschaffen, damit die Teilnehmenden noch weiter am Thema dran bleiben können.
Und dann ... passiert nichts. Die Teilnehmenden nehmen die Angebote nicht an, tauchen ab. Was tun? Genau darum geht in diesem Artikel.
Um was geht es überhaupt?
Aus Erfahrung weiß ich, dass "stand alone" Seminare nur selten so viel bewirken wie es möglich wäre. Wenn ich also ein zweitägiges Kommunikations- oder Lernstrategien-Seminar halte, dann gehen die Teilnehmenden raus und nehmen vielleicht zwei/ drei Sachen mit, die sie sofort umsetzen. Weil wir die Umsetzung im Seminar schon gut vorbereiten.
Doch hier soll es gar nicht so sehr um den Transfer gehen, sondern eher um das asynchrone Weiterlernen nach dem Seminare. Aber vieles, was Eigenverantwortung braucht, bleibt leider oft auf der Strecke. Daher versuche ich schon lange fast standardmäßig eine rudimentäre Lernbegleitung in den Alltag anzubieten. Z.B. indem ich in regelmäßigen Abständen Impulse, Aufgaben oder Umsetzungs-Erinnerungen verschicke oder Sprechstunden anbiete.
Hätte ich die Wahl, würde ich das Trainingsdesign natürlich gleich ganz anders gestalten, dies scheitert aber in der Realität oft an den Auftraggebenden. Doch zumindest über kleine Impulse versuche ich die Teilnehmenden auch nach dem Seminar zu ermuntern, dran zu bleiben.
Wenn diese jedoch nicht verpflichtend für z.B. eine Teilnahmebestätigung o.ä. sind, wird das Angebot oft nicht angenommen.
Die Situation verstehen
Früher habe ich mich schon fast geärgert, wenn meine ach so gut gemeinten Angebote einfach ins Leere laufen. Ich fragte mich oft: was wurde aus den mündigen Lernenden, die im Seminar noch klar die Bedeutung des Gelernten erkannt haben und sich sicher waren, die Umsetzung fortzusetzen?
Dann habe ich versucht zu verstehen. Waren meine Angebote nicht passend? Waren sie nicht attraktiv? Waren sie zu zeitintensiv? ...
Letztlich war es immer das gleiche: der Alltag hat nach dem Seminar voll zugeschlagen, Arbeitsroutinen und spontane ToDos verhindern, dass man sich die Zeit nimmt, an einem Thema dran zu bleiben.
Das heißt: immer wenn eine Wahl gegeben ist, entscheiden sich viele für das Dringende und Wichtige (z.B. einen Kundentermin wahrnehmen, eine Projekt-Aufgabe zu Ende zu bringen) und nicht nur für das Wichtige (am im Seminar Gelernten dranzubleiben). Das verstehe ich voll und ganz. Und trotzdem ist es schade.
Hinnehmen möchte ich es dennoch nicht und habe für mich drei Strategien gefunden, die gut funktionieren und die ich dir gerne als Tipps an die Hand geben möchte.
1) Wie "reif" sind deine Teilnehmenden?
Finde heraus, welchen Reifegrad im Kontext selbstverantwortliches Lernen die Teilnehmenden aufweisen. Sind sie es gewohnt, sich Inhalte selbst zu erarbeiten oder nach Seminaren in die strukturierte Umsetzung zu kommen? Gibt es im Unternehmen explizite Lernzeiten, z.B. eine Stunde pro Woche, die auch genutzt werden?
Niedriger Reifegrad wäre, dass die Teilnehmenden wenig oder schlechte Erfahrungen mit Selbstlernkursen haben, lieber in der Gruppe statt selbstgesteuert lernen und sich für Transfer keine Zeit nehmen, obwohl sie es immer fest vorhaben. Ein hoher Reifegrad wäre demnach das genaue Gegenteil.
Um dies herauszufinden führe ich vorab oder während des Trainings Gespräche mit den Teilnehmenden, lasse sie einen Fragebogen ausfüllen und ordne sie einer Learner Persona* zu, die ich in meinem Repertoire habe.
*Learner Persona ist ein konkreter Prototyp an TN, der mit hilft, das Training zu designen.
2) Orientiere dich an den Unreifen
Teilnehmende mit einem hohen Reifegrad brauchen vielleicht nur eine kleine Erinnerung oder einen Impuls, um selbständig an Themen dran zu bleiben.
Für andere ist dies extrem ungewohnt, denn die herkömmlichen Lernmuster bzw. unsere Lernsozialisation hat uns gelehrt, anders zu lernen: nach vorgegebenen Lernzielen in engen Rahmenbedingungen, zeitgleich in einer Gruppe und mit "Hausaufgaben" oder Arbeitsaufträgen.
Dieses Muster führt dazu, dass wir viel leichter in Seminaren zu vorgegebenen Zeiten und Räumen lernen als selbstorganisiert. Oder dass wir Fachbücher zwar wirklich gerne lesen würden, uns dies aber nur in einem Buchclub oder einer Lesegemeinschaft gelingt. Oder dass wir Pflichtaufgaben zwar gewissenhaft erledigen, aber freiwillige eher hinten runter fallen lassen, selbst wenn wir dessen Nutzen voll anerkennen.
Wenn ich als Trainerin ein Angebot für die Zeit nach einem Seminar erstelle, dann orientiere ich mich immer am unteren Ende des Reifegrads. Sonst wird das nichts. Seit ich dies mache, gelingt es schon viel besser.
3) Gestalte dein Post-Trainings-Angebot klar, attraktiv, kurz und mit sozialer Kontrolle
Keinen Klick zu viel fordern!
Sobald Teilnehmende einen anderen (virtuellen) Ort aufsuchen (anklicken!) müssen, ist es oft schon zu viel. Nutze also das Medium, das die Teilnehmenden eh schon verwenden, z.B. Chat oder E-Mail. Stelle dort keine Links zu einem virtuellen Board ein, sondern bleibe in der E-Mail.
Kurze, knackige Aufgaben
... statt langatmige Beschreibungen. Ein bis zwei kurze Sätze sollten es maximal sein, sonst rutscht etwas anderes dazwischen. Z.B. "Spüre jetzt in dich hinein: wie hoch schätzt du deinen Stresslevel auf einer Skala von 1-10 ein?", wenn du ein Resilienz-Seminar gegeben hast. Das ist eine kurze Handlungsaufforderung ohne langatmige Inhalte und erfüllt eine wichtige Erinnerungsfunktion.
Call to Actions
Wie könnte ein Call to Action aussehen im "Post-Training"? Für das obige Beispiel wäre es das Zurücksenden eines Skalen-Wertes. Der CTA sollte kurz, am besten in Form eines Stichwortes, Zahl, Emoji oder Buchstabens sein. Mehr ist meist zu viel verlangt. Wichtig ist nur, dass es zu irgendeiner Handlung führt, weil der erste Schritt bekanntlich der entscheidende ist.
Soziale Kontrolle
Im Training gebildete Peergroups, mit festen Terminen und klaren ToDos im jeweiligen - kurzen - Meeting sorgen dafür, dass wir uns nicht einfach still und leise rausnehmen, sondern dranbleiben - aus Respekt gegenüber den anderen im Team.
Pflicht statt Option
Ich habe - erschreckend - viele Teilnehmende, die sich solche Angebote als Pflichtprogramm wünschen. Dass sie z.B. nur dann eine Teilnahmebestätigung bekommen, wenn sie bestimmte Aufgaben gemacht haben. Weil sie sie sonst nicht machen würden. Ich musste mich in diese Rolle erst einfügen, denn meine Vision von Lernen ist eine ganz andere. Aber natürlich richte ich mich nach den Bedürfnissen der Teilnehmenden.
Witzig ist besser als belehrend
Eine kreative, witzige Umsetzungsaufgabe kommt viel besser an als eine langweilige, kognitive. Z.B. „schreibe auf ein kleines Kärtchen eine Stärke / Eigenschaft, die du an einer Kolleg:in sehr schätzt und versuche es ihr heimlich unterzujubeln.“ Dies kann man in allen möglichen Varianten tun und kommt meist sehr gut an.
Fazit
Jegliche Form von Begleitung nach Trainings ist so wertvoll und wichtig, dass du als Trainer:in nie aufgeben solltest, diese zu etablieren. Selbst wenn von 12 Teilnehmenden nur zwei durch deine Angebote ins Tun kommen, ist das schon enorm wertvoll.
Vielleicht magst du deine Lieblingsmethoden teilen?
Oder in die kreative Ideenfindung für dein nächstes Training gehen? Jetzt!
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Robert (Freitag, 11 Oktober 2024 22:24)
Merci
Für die guten Anregungen
Iris (Samstag, 12 Oktober 2024 16:42)
@Robert: sehr gerne :-)