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Sokratisches Prompten - kritisch, klug, mit Mehrwert

 

Aktives Lernen und kritisches Denken werden oft als zwei Top-Future Skills bezeichnet. Es sind Skills, die wir jetzt besonders brauchen, um die Zukunft gut meistern zu können - dabei sind sie schon über 2000 Jahre alt. 

 

Beides wird durch KI einerseits auf die harte Probe gestellt und zugleich befeuert, weil es dank ChatGPT & Co richtig viel Spaß machen kann! Durch Sokratisches Prompten fördern wir auf lustvolle Weise beides. 

 

Dieser Artikel ist Teil 2 der Trilogie rund um Sokrates und Lernen. 

Wo setzt das Sokratische Prompten an?


Noch richtet sich der Schwerpunkt im KI-Learning darauf, dass wir gute Prompts schreiben, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. Aber was heißt eigentlich „gutes Ergebnis“?

 

Nehmen wir als Beispiel, mehr über die Feynman Methode und seine Anwendung im Studium erfahren zu wollen mit Hilfe von ChatGPT & Co.

 

Die meisten würden sagen: ein gutes Ergebnis ist, wenn ich die wichtigsten Informationen über die Methode, z.B. in Form von Kernaussagen erhalte, die Vorteile aufgelistet auf einen Blick sehe und auch noch eine klare Anleitung bekomme, wie ich sie in der Klausurvorbereitung einsetzen kann. Perfekt, oder?

 

Aus Lerncoach-Sicht würde ich sagen: eher nicht. Denn: wir haben zwar beim Prompten ein wenig unser Gehirn eingesetzt, damit wir das Passende erhalten. Je routinierter wir jedoch beim Prompten werden, desto weniger denken wir nach, sondern nutzen Bewährtes - das ist ja durchaus der Sinn des Lernens.

 

Gute Prompts verhindern Lernen


Indem wir immer besser im Prompten werden, entsteht eine Routine, die es uns erlaubt, ohne Gehirnschmalz vorzugehen. Noch schlimmer wird es, wenn wir die überall herumschwirrenden (Lücken-) Promptsammlungen nutzen, denn dann brauchen wir gar nicht mehr selbst zu denken.

 

Spätestens mit dem Klick auf die Entertaste, wenn ich den Prompt abschicke, schaltet sich mein Hirn wieder aus, denn es versucht immer unnötigen Energieaufwand zu vermeiden. Höchstens beim prüfenden Überfliegen des Ergebnisses ist es auf Sparflamme dabei. Je besser die KI wird, desto weniger brauchen wir es selbst dafür noch.

 

Um das obige Beispiel aufzugreifen: nachdem KI alles zur Feynman-Methode ausgespuckt und schön aufbereitet und mit einer guten Anleitung dargestellt hat, haben wir zwar einen guten Überblick, jedoch das Konzept weder gelernt noch verstanden. Und wenn die Anwendung nicht 100%ig passt, wissen wir in der Praxis nichts damit anzufangen. Blöd.

Sokratisches Prompten involviert uns auf besondere Weise


Jetzt kommt Sokrates mit seiner speziellen Fragen-Methodik ins Spiel: wenn wir beim Prompten die Abfolge des Sokratischen Fragens nutzen, dann setzen wir uns erstens mit dem Inhalt kritisch auseinander und steigen zudem tief in die Thematik ein. So sind es also in der typischen Variante 6 Prompts:

  • Klärungsfragen > was ist eigentlich das Feynman Modell (Wissensinput mit Annahmen) - hier ist normalerweise Ende. Doch dank Sokrates geht es jetzt erst richtig los.
      
  • Annahmen hinterfragen > z.B. kann man immer alle Wissenslücken schließen? Woher kann ich wissen, welches Wissen fehlt?
      
  • Begründungen hinterfragen, also Quellen prüfen, zusätzliche Recherche, Originalquellen studieren, z.B. perplexity.io hierfür nutzen > welche Praxisbeispiele gibt es? Welche Studien existieren dazu? Ist es richtig, dass man damit 4x schneller lernt? …
      
  • Verschiedene Perspektiven kennenlernen: Was würde ein:e Perfektionist:in dazu sagen? Wie gerne würden minimalistische Lernende so lernen? 
      
  • Konsequenzen durchdenken > Was wäre anders, wenn ich oder alle so lernen würden? Könnte ich in einer Endlosschleife hängen bleiben? Woher weiß ich, wann es ausreichend ist?
      
  • Übergeordnete Ziele hinterfragen: Welchem übergeordneten Ziel dient die Feynman Methode? Welcher Vision? Was würde sich in Unternehmen dadurch ändern? Oder an Schulen?

Um die Prompts 2-6 verfassen zu können, muss man sich mit dem Inhalt aus Prompt 1 beschäftigt haben und hat dabei en passant eine Menge gelernt. 

 

Aber Achtung: wenn man einfach die Prompts losschickt, dann bringt es nicht viel. Es ist deutlich effektiver und nachhaltiger, wenn man zuerst selbst nachdenkt und dann ChatGPT als Sparringspartner hinzunimmt. Danach seine Antworten wiederum durchdenkt und so weiter. 

Fazit - Sokratisches Prompten macht schlau und Spaß!


Auf diese sokratische Weise wird das Prompten extrem wertvoll und liefert echten Mehrwert. Für das Lernen an sich und als klarer Leitfaden für das überall so geforderte kritische Denken. Durch das ständige Hinterfragen ist man aktiv in den Lernprozess eingebunden und widersteht der Verlockung, sich selbst einen modernen Nürnberger Trichter zu erschaffen.

 

Während das Sokratische Fragen früher oft extrem aufwändig und zeitintensiv war, erlebe ich es jetzt als kurzweilig und knackig. Es ist lern-alltagstauglich geworden und macht richtig viel Spaß. 

 

Was hätte Sokrates wohl dazu gesagt? 


👉🏼 Zum Artikel 1 "Sokratisches Fragen als Lernstrategie".

   

👉🏼 Zum Artikel 3 "Sokratische Methode in der Learning Facilitation" (erscheint demnächst).


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