Wer schon mal bei mir in einem Training war, weiß, dass ich gerne Cocktailpartys, Schneeballschlachten, Verkleidungen, Nachrichten-Sendungen, selbst gestaltete Brettspiele oder besondere Präsentations-Formen als Methoden verwende.
Das erhöhte die Motivation, die Aufmerksamkeit, den Spaß, die Konzentration und bietet dem Gehirn die benötigte Vielfalt.
Wenn jedoch die Methode oder die Übung, aber nicht der Inhalt im Gedächtnis bleibt, dann weiß man, dass man als Trainer:in den Kannibalisierungseffekt nicht beachtet hat.
Was steckt hinter dem Kannibalisierungseffekt?
Das Phänomen, dass die Methode oder das Format (z. B. ein witziges Lernspiel) stärker im Gedächtnis bleibt als der eigentliche Lerninhalt, ist gut dokumentiert und wird oft als “Methode-Lerninhalt-Dissoziation” bezeichnet.
Dieses Phänomen tritt insbesondere bei sehr auffälligen, kreativen oder neuartigen Methoden auf, weil die Methode selbst viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit die Verarbeitung des eigentlichen Inhalts beeinträchtigen kann.
Warum tritt dieser Effekt auf?
1. Aufmerksamkeitsverlagerung:
- Eine aufmerksamkeitsstarke Methode wie ein Lernspiel kann so viel kognitive und emotionale Energie binden, dass weniger Ressourcen für die Verarbeitung des eigentlichen Lerninhalts zur
Verfügung stehen.
- Besonders wenn die Spielmechanik oder die Umsetzung komplex oder neu ist, wird ein Großteil der mentalen Kapazität darauf verwendet, die Regeln zu verstehen, das Spielziel zu erreichen oder möglichst gut umzusetzen.
2. Emotionale Dominanz:
- Spaß, Wettbewerb oder soziale Interaktion im Lernspiel können emotional so einprägsam sein, dass sie die inhaltliche Ebene überdecken. Emotionen fördern zwar grundsätzlich das Lernen, aber wenn sie nicht direkt mit dem Lerninhalt verknüpft sind, kann dies zu einer Trennung führen.
3. Fehlende Verknüpfung von Methode und Inhalt:
- Wenn die Methode (z. B. das Spiel) nicht ausreichend eng mit den zu lernenden Inhalten verknüpft ist, erinnert man sich später eher an die Methode, weil sie isoliert verarbeitet wurde. Der Inhalt wird als sekundär wahrgenommen.
4. Dual-Coding-Theorie:
- Nach dieser Theorie speichern wir Informationen sowohl verbal als auch visuell. Wenn eine Methode hauptsächlich auf einer Ebene (z. B. visuell oder spielerisch) arbeitet, kann sie die andere Ebene (z. B. den textlichen oder verbalen Lerninhalt) überlagern. Wie valide diese Theorie ist, vermag ich an dieser Stelle nicht zu beurteilen, verstehe aber den Grundgedanken.
Wie kann der Effekt verhindert werden?
Natürlich ist hier nicht die Empfehlung, möglichst langweilig und erwartbare Lernerfahrungen zu gestalten, sondern das Lerndesign klug zusammenzustellen.
1. Klare Verbindung zwischen Methode und Inhalt herstellen:
Die Spielmechanik sollte eng mit dem Lerninhalt verknüpft sein. Zum Beispiel könnte ein Vokabelspiel so gestaltet werden, dass die Wörter selbst die Spielzüge beeinflussen, anstatt dass das Spiel unabhängig von den Wörtern abläuft.
2. Reflexion einbauen:
Nach der Methode sollten die Lernenden über den Zusammenhang zwischen dem Spiel und dem Inhalt nachdenken. Reflexionsfragen oder eine selbsterstellte Zusammenfassung können helfen, den Transfer zu sichern.
3. Methoden-Effekte reduzieren:
Hier liegt die wahre Kunst des Trainingsdesigns: Die Methoden dürfen durchaus ungewöhnlich sein, aber nicht zur Hauptattraktion werden. Wenn das Spiel zu dominant ist, könnte es z.B. sinnvoll sein, die Regeln oder Anforderungen zu vereinfachen, um die Aufmerksamkeit stärker auf den Inhalt zu lenken.
4. Wiederholungen einbauen:
Nach dem spielerischen Lernen sollten die zentralen Inhalte in einem anderen Format wiederholt werden, um sie unabhängig von der Methode zu festigen. Dieses andere Format darf dann ruhig unspektakulär sein.
Fazit für dein Trainingsdesign
Eine neuartige und aufmerksamkeitsstarke Methode wie ein ungewöhnliches Lernspiel, die Gestaltung eines Videoclips, die Erstellung eines Quiz oder das Inszenieren eines Theaterstücks kann tatsächlich den Inhalt überlagern, wenn die Lernenden sich stärker auf die Methode selbst konzentrieren als auf den Inhalt.
Um dies zu vermeiden, ist es entscheidend, die Methode bewusst auf den Inhalt abzustimmen und durch Reflexion und Wiederholung sowie Methodenwechsel die Transferleistung sicherzustellen.
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