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Immer dann, wenn du bei dir oder bei deinen Lerncoachees feststellst, dass das Lernen mühsam und zeitaufwendig ist, kannst du es einmal mit Lean Learning probieren.
Inspiriert von Prinzipien des Lean Managements, hilft dir diese Methode, typische Lern-Verschwendungen zu erkennen und durch schlanke, effektive Strategien zu ersetzen. Wie das genau funktioniert und welche einfachen Techniken du sofort anwenden kannst, erfährst du in diesem Artikel!
Die 7 Arten der Verschwendung (Muda)
In der Praxis scheitert das Lernen oft daran, dass wir zu kompliziert denken. Hier kommen Prinzipien aus dem Lean Management ins Spiel – ursprünglich von Taiichi Ono für effiziente Produktionsprozesse bei Toyota entwickelt, sind aus meiner Sicht aber durchaus gut aufs Lernen zu übertragen:
Um zu erkennen, was Muda (Verschwendung) ist und was nicht, gibt es im Lean Management einige bewährte Methoden. Zunächst werfen wir einen Blick auf die sieben Arten der Verwendung und überlegen, wie man sie auf das Lernen transferieren kann.
Muda tritt in verschiedenen Formen auf. In der klassischen Lean-Philosophie gibt es sieben Kategorien der Verschwendung, die sich auch auf Lernen und Wissensarbeit übertragen lassen:
1. Überproduktion → Zu viele unnötige Infos sammeln, die garantiert nicht alle gebraucht werden
2. Warten → Zeitverlust durch ineffiziente Prozesse, z.B. rausschreiben von Kernbegriffen aus Texten, diese dann nochmal neu aufbereiten und mehrmal verschönern
3. Transport → Unnötige Wechsel zwischen Aufgaben (z. B. zu viele Quellen, die alle den gleichen Inhalt haben) oder auch Präsenztreffen in Lerngruppen statt online
4. Überbearbeitung → Dinge zu kompliziert machen, Verzettelung in der Aufbereitung, zu frühe oder zu späte Wiederholungsschleifen
5. Bestände → Zu viele ungenutzte Notizen oder Lernmaterialien (das 6. Buch zum Thema XY, es könnte ja noch eine neue wichtige Info drin sein
6. Bewegung → Unnötige kognitive Anstrengung durch Chaos bzw unorganisiertes Lernen
7. Fehler und Nacharbeit → Falsches Lernen führt zu extra Aufwand
Tipp: Schau dir deine eigenen Lernprozesse an und prüfe, welche dieser sieben Arten von Muda bei dir auftreten.
Bei mir sind 1 und 4 übliche Verdächtige.
Gemba Walk - Reflexion beim Lernen
Im Lean Management wird oft der Gemba Walk genutzt – das bedeutet, man geht dorthin, wo die Arbeit passiert, um echte Probleme zu erkennen.
Anwendung auf das Lernen:
- Beobachte für ein paar Tage bewusst dein eigenes Lernen.
- Notiere, wann und wo du Zeit verschwendest (z. B. ständiges Nachschlagen, Ablenkungen, ineffektive Methoden).
- Analysiere, welche Aufgaben wirklich produktiv sind und welche nur so aussehen.
Wenn ich weiß, dass ich zur Überproduktion neige, dann bin ich gerade bei der Recherche und Inputaufnahme sehr aufmerksam. Im Tun (nicht erst hinterher) halte ich immer kurz inne und frage mich: reicht es schon? Was genau fehlt noch?
Wertstromanalyse: Was bringt wirklich was?
Die Wertstromanalyse hilft, zwischen nützlichen und nutzlosen Aktivitäten zu unterscheiden.
So geht’s:
- Schreibe alle Lernschritte auf, die du für ein Thema machst.
- Markiere, welche direkt zum Verständnis beitragen (Wertschöpfung).
- Identifiziere unnötige Schritte und überlege, wie du sie eliminieren kannst.
Ich neige z.B. dazu, sehr lange und oftmals verzettelnd zu recherchieren. Das ist in der Regel viel zu viel Aufwand für das Ergebnis. Würde ich dies früher stoppen, wäre ich viel effektiver.
Die 5 Whys: Warum lerne ich eigentlich so?
Um unnötige Lern- bzw. Arbeitsschritte zu erkennen, ist die 5W-Methode sehr hilfreich. Hier wird 5 mal ein bestimmtes Verhalten hinterfragt, z.B. eines, das verdächtig nach Verschwendung aussieht.
Beispiel:
- Warum schreibe ich so viele Notizen?
→ Weil ich Angst habe, etwas zu vergessen.
- Warum habe ich Angst, es zu vergessen?
→ Weil ich die Inhalte nicht richtig verstehe.
- Warum verstehe ich sie nicht?
→ Weil ich sie nicht aktiv anwende.
- Warum wende ich sie nicht an?
→ Weil ich mich nur auf passives Lernen verlasse.
- Warum verlasse ich mich darauf?
→ Weil ich nicht wusste, dass aktives Lernen effektiver ist.
Das Ergebnis bzw. das Learning kann sein: Weniger Mitschreiben, mehr aktives Anwenden!
In meinem obigen Beispiel kam als Ergebnis heraus:
1. Warum recherchiere ich so intensiv - weil ich so viel Input wie möglich aufnehme möchte.
2. Warum will ich so viel Input wie möglich aufnehmen - weil ich mich sonst inkompetent fühle
3. Warum fühle ich mich inkompetent - weil es mir unangenehm ist, nicht alle Detailfragen beantworten zu können
4. Warum ist es mir unangenehm - weil ich den Glaubenssatz habe, dass Trainerinnen auch viele Details kennen sollten
5. Warum habe ich den Glaubenssatz - keine Ahnung :-)).
Bei mir reichte die 4. Stufe, da war mir schon klar, dass ich mir selbst erlauben darf, nach einem gesunden Maß (das ich durchaus erkenne) aufzuhören mit dem immer tiefer Bohren.
Lean Learning bedeutet kritisch hinterfragen und weglassen von Verschwendung
Muda zu erkennen, bedeutet, bewusst zu analysieren, wo Zeit und Energie verschwendet werden. Mit den Methoden aus dem Lean Management – den 7 Arten der Verschwendung, Gemba Walk, Wertstromanalyse und 5W-Fragen – kannst du dein Lernen schlanker, effektiver und nachhaltiger gestalten.
Probiere es doch beim nächsten Lernprojekt aus : Beobachte dein Lernen für eine Woche und markiere jeden Schritt als wertschöpfend oder Muda. Danach eliminiere so viel Muda wie möglich – du wirst überrascht sein, wie viel effizienter du lernst!
Berichte gerne, wie es dir erging.