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Wertschätzende Kontroverse: listen first, debate later

Eine Methode, die ein Framing setzt
Eine Methode, die ein Framing setzt

 

Eine meiner Lieblingsmethoden, um an ein Thema heranzuführen ist die "wertschätzende Kontroverse", die neben dem inhaltlichen Beschnuppern auch einen ganz klaren Rahmen für die Art der Zusammenarbeit und des Umgangs miteinander im Seminar setzt, ohne explizit Regeln vereinbaren zu müssen. 

 

Sie passt zu nahezu allen Themen, kann flexibel gestaltet werden und braucht nur ganz wenig Vorbereitung. 

Methoden-Beschreibung


Die Methode "Respektvolle oder wertschäztende Kontroverse" hilft Teilnehmenden, bewusst mit Meinungsunterschieden umzugehen, ohne vorschnell zu urteilen oder zu diskutieren. Es gibt zwei Varianten:

 

Variante 1: Polarisierende These & Gruppenreflexion

  1. Eine polarisierende These wird in den Raum gestellt (z. B. "Jeder Konflikt in einer Seminargruppe hat Vorrang und muss angesprochen werden".
  2. Jede Person legt nach und nach ihr Namenskärtchen auf "Stimme zu" oder "Stimme nicht zu".
  3. Reihum erklärt jede:r in einem Satz, warum die Wahl auf diese Position gefallen ist.
  4. Danach bilden die Zustimmenden und Ablehnenden je eine Gruppe und erarbeiten, wie man die Perspektive der anderen in ihrem gemeinsamen Handeln berücksichtigen kann. 

 

Variante 2: Individuelle Thesen & Zuhören & Veto

  1. Jede:r bekommt eine eigene These rund um das Seminarthema (z.B. "KI ist gefährlich", "Seminarspiele verschwenden Zeit" ...) und entscheidet sich für Zustimmung oder Ablehnung. Wenn es zu viele Teilnehmende sind, werden Gruppen gebildet, die sich intern einigen auf eine Haltung (meist klappt das gut).
  2. Beim Auslegen zur Zustimmung oder Ablehnung nennt jede:r einen Satz zur Begründung der Entscheidung.
  3. Es gibt keine Diskussion oder nonverbale Bewertung – nur Zuhören ist erlaubt.
  4. Nach der ersten Runde kann jede:r eine Karte verschieben, wieder mit einem Satz bBgründung.
  5. Nach 1-3 Runden endet die Methode.

Wirkprinzipien


  • Bewusstes Zuhören: Die Methode zwingt dazu, nicht sofort zu bewerten, sondern andere Perspektiven wahrzunehmen.
      
  • Strukturierte Meinungsbildung: Sie hilft, eigene Argumente zu reflektieren und sich aktiv mit anderen Standpunkten auseinanderzusetzen.
      
  • Dynamik ohne Diskussion: Durch das Vermeiden unmittelbarer Gegenargumente entsteht ein Raum der Offenheit.
      
  • Verständnis fördern: Die anschließende Reflexion zeigt, dass Meinungsverschiedenheiten in der Praxis berücksichtigt werden können.

Vor- und Nachteile der Methode


Vorteile der Methode:

Klare Struktur: Alle haben in etwa die gleiche Redezeit, niemand wird unterbrochen.

 

Fördert aktives Zuhören: Teilnehmer:innen lernen, sich erst einmal auf das Zuhören und Verstehen zu konzentrieren.

 

Hindert vorschnelle Urteile: Es wird eine Reflexionspause eingebaut, bevor eine Bewertung erfolgt.

 

Verbindet Gegensätze: Die Gruppenübung hilft, Handlungsstrategien für den Umgang mit Differenzen zu entwickeln.

 

 

Mögliche Herausforderungen:

Ungewohnte Zurückhaltung: Teilnehmer:innen müssen sich daran gewöhnen, nicht direkt aufeinander zu reagieren. Bei manchen Themen ist das gar nicht so einfach!

 

Emotional aufgeladene Thesen: Starke Meinungsverschiedenheiten können zu Spannungen führen, die gut moderiert werden sollten.

 

Zeitliche Planung: Die Methode braucht genügend Raum für eine gute Durchführung.

Online-Adaption


Natürlich kann diese Methode auch wunderbar online gemacht werden, indem auf einem digitalen Whiteboard (Conceptboard, Flinga oder Zoom-Whiteboard o.ä.) die Pole mit fixierten Grafiken abgebildet sind und die Thesen als verschiebbare Stickys bereit liegen (Achtung! Vorher testen, ob alle verschieben können). 

 

Alles andere ist genau wie in der Präsenz-Variante.

Fazit: Eine Methode, die viel bewirkt


"Wertschätzende Kontroverse" ist eine wirkungsvolle Methode, um Meinungsvielfalt sichtbar zu machen und gleichzeitig einen geschützten Raum für Reflexion zu schaffen. Besonders in der frühen Seminarphase hilft sie dabei, eine respektvolle Kommunikationskultur zu etablieren.

 

Ich bin immer wieder überrascht, wie stark sie auf die Gruppendynamik und das Miteinander ausstrahlt, wenn man dies sehr frühzeitig im Seminarverlauf macht. 


👉🏼 weitere solcher Methoden lernst du in unserer Komplett Trainer:innen Ausbildung kennen.